Meinung

"Schwer zu ertragen": Robert Habeck und die Angst seiner Mitarbeiter

Kürzlich fragte Florian Warweg von den NachDenkSeiten Robert Habeck (Grüne), ob er Kritik durch Mitarbeiter seines Ministeriums akzeptiere. Dieser reagierte wie ein Wirtschaftsminister, den all seine Mitarbeiter schätzen und mögen. Und brachte dabei gleich noch Alexei Nawalny ins Spiel.
"Schwer zu ertragen": Robert Habeck und die Angst seiner MitarbeiterQuelle: www.globallookpress.com © Carsten Koall

Von Tom J. Wellbrock

Am 21. Februar 2022 stellte Robert Habeck den Jahreswirtschaftsbericht auf der Bundespressekonferenz vor. Unter den Journalisten war auch Florian Warweg, der vor langer Zeit für RT DE gearbeitet hatte, aber schon seit Juni 2022 für die NachDenkSeiten als Parlamentsberichterstatter tätig ist. Warwegs Frage beantwortete Habeck schlecht gelaunt und in Anbetracht der Informationen, die in der Vergangenheit bekannt geworden sind, ziemlich vage und unglaubwürdig.

Warweg als angeblicher "Berichterstatter Russlands"

Kritikfähig sei er in jedem Fall, antwortete Habeck auf Warwegs Frage, ob sichergestellt sei, dass in seinem Bundesministerium nicht ausschließlich "Ja-Sager" und "Opportunisten" Platz hätten. Der Journalist könne die Abteilungsleiterin seiner Behörde fragen, die dürfte das bestätigen, lautete Habecks kurze Antwort. Sichtlich angewidert wechselte der Wirtschaftsminister sofort danach das Thema und griff Warweg offen an.

In seiner Vorstellung hatte Warweg sich als Mitarbeiter der NachDenkSeiten vorgestellt, das hatte Habeck offenbar überhört, denn er fragte ihn, ob er von RT sei. Das verneinte der Journalist und wiederholte, bei den NachDenkSeiten tätig zu sein, deren Herausgeber in früheren Tagen Koordinator bei Willy Brandt gewesen war. Sichtlich unbeeindruckt begann Habeck ein Referat über die Notwendigkeit der Überprüfung seiner Mitarbeiter, da auch sicherheitsrelevante Themen in seinem Ministerium eine Rolle spielten. Diese Praxis sei im Wirtschaftsministerium schon viele Jahre üblich, und sie funktioniere außerordentlich gut.

Die Tatsache, dass Warweg bei den NachDenkSeiten arbeitet, hinderte Habeck nicht daran, ihn als "Berichterstatter Russlands" zu bezeichnen, der die deutsche Demokratie diskreditiere. Zudem, so Habeck weiter, sei es "schwer zu ertragen", dass ein solcher "Berichterstatter" nur wenige Tage nach dem Mord an Alexei Nawalny unbeirrt mit dieser Diskreditierung fortfahre. Schließlich repräsentiere er ein Land, in dem nicht einmal Fragen gestellt werden könnten, ohne dass die betroffenen Personen eingesperrt oder ermordet würden. Das muss man ein wenig einordnen.

Mord an Nawalny?

Man mag im Zuge einer gewissen Abstumpfung inzwischen kaum noch zucken, wenn ohne jegliche Beweise der russische Präsident als Mörder bezeichnet wird, doch Gewöhnung ändert nichts an der Sachlage. Ein deutscher Wirtschaftsminister – und längst nicht nur er allein – unterstellt einen Mord und nennt gleich darauf den angeblichen Täter. Es handelt sich beim vermeintlichen Täter um den Regierungschef des größten Landes dieser Erde, für den – wie für jeden anderen Menschen auch – zunächst die Unschuldsvermutung gelten sollte.

Nun ist spätestens seit dem Amtsantritt Annalena Baerbocks als deutsche Außenministerin klar geworden, dass Deutschlands Kunst der Diplomatie unter Größen wie Brandt oder Egon Bahr nur noch eine kümmerliche Geschichte längst vergangener Zeiten darstellt. Weltweit sind die diplomatischen Fähigkeiten Deutschlands nur noch ein Relikt der Historie, und man kann belegen, dass die diplomatischen Erfolge der deutschen Außenministerin faktisch nicht existieren.

Und wenn man sich vor Augen hält, dass gerade eben Joe Biden, der Präsident der Vereinigten Staaten, Wladimir Putin einen "SOB" ("son of a bitch") nannte, ist Habeck in bester Gesellschaft. Doch das macht es nicht besser. Offenbar bedeutet die politische Auseinandersetzung des Westens mit Russland inzwischen nur noch, den politischen Gegner (der eigentlich ein Gesprächspartner diplomatischer Beziehungen sein sollte) zu beleidigen und zu diffamieren.

Es sei an dieser Stelle nochmals explizit festgehalten: Weder gibt es zum jetzigen Zeitpunkt Beweise für einen Mord an Nawalny, noch steht fest, wer im Falle eines solchen unterstellten Mordes der Täter ist oder die Täter sind.

Kritikfähiger Wirtschaftsminister?

"Ich bin ein Minister, der immer zu Kritik und Widerspruch auffordert." Das waren Habecks Worte nach Warwegs Frage, ob sichergestellt ist, dass in Habecks Ministerium nicht bloß "Ja-Sager" sitzen. Daran darf und muss man jedoch ernsthafte Zweifel haben. Die Zeit und das Handelsblatt hatten 2022 (beide hinter Bezahlschranke) über Vorfälle in Habecks Ministerium berichtet, die alles andere als einen Beleg für Vertrauen, Austausch und Kritikfähigkeit darstellen. Die NachDenkSeitenselbst hatten ebenfalls berichtet und unter anderem einen ranghohen Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums mit den Worten zitiert:

"Wenn ich meine Fachmeinung kundtue, dann besteht die Möglichkeit, dass ich in den Verdacht gerate, 'Russenversteher' zu werden."

Ein anderer sagte: "Wir bekommen auch von außen viele Anrufe – zum Beispiel Anfragen vom Bundesfinanzministerium –, hier gibt es Zweifel, ob man noch mit uns zusammenarbeiten kann."

Mittendrin immer der Verfassungsschutz, zu dem die Beziehungen unter Habeck in einer Weise gepflegt wurden (und vermutlich noch immer werden), die unter seinen Vorgängern alles andere als üblich war. Und wiederholt ging es um die schon als paranoid zu bezeichnende Befürchtung Habecks, es könnten "Russenversteher" in seinem Team arbeiten. Um als solcher zu gelten, reichten übrigens damals schon Russlandreisen in Jugendjahren und eine mögliche "emotionale Nähe zu Russland", was auch immer das bedeuten mag.

Damals machten sich Habeck und seine Vertrauten nicht einmal die Mühe, ihre "Angst vor den Russen" zu verdecken. Vielmehr kam etwa von Habecks Mitstreitern Patrick Graichen und Christian Maaß der klare Hinweis, dass von Mitarbeitern erstellte Unterlagen "nur so von Verständnis für die russische Sicht getrieft" und nicht "zur offiziellen Linie der Bundesregierung gepasst" hätten.

Russenhass schon vor dem Ukraine-Krieg

In Anbetracht der Tatsache, dass Politiker wie Habeck seit dem Ausbruch des aktuellen Ukraine-Krieges am 24. Februar 2022 in ihrer Ablehnung Russlands fast wie von Sinnen wirken, mag das paranoide Überwachen der eigenen Mitarbeiter vielleicht noch nachvollziehbar sein (Wohlwollen gegenüber der politischen Praxis vorausgesetzt).

Doch diese Überwachung begann schon vor dem Februar 2022. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte damals:

"Das Ministerium steht seit Beginn (!) der Legislaturperiode in einem engen Austausch mit dem Bundesverfassungsschutz. Denn es ist klar, dass sich die Arbeit des Ministeriums in einem besonderen Fokus befindet. Allen sicherheitsrelevanten Hinweisen gehen wir immer (!) in enger Abstimmung mit dem Bundesverfassungsschutz nach und setzen etwaige notwendige Schritte ebenfalls in Abstimmung mit dem Verfassungsschutz unverzüglich (!) um."

Erneut steht die Frage im Raum, was genau "sicherheitsrelevante Hinweise" sind, und man muss davon ausgehen, dass hier die Grenze sehr niedrigschwellig angesetzt wird. Und auch wenn Habeck gegenüber Warweg auf der jüngst durchgeführten Bundespressekonferenz beteuerte, die Arbeit des Wirtschaftsministeriums werde schon seit vielen Jahren erfolgreich so praktiziert, wie es nun vorzufinden ist, klingt das wenig glaubwürdig. Das Handelsblatt zitierte 2022 einen Mitarbeiter, der sichtlich irritiert war: "Selbst altgedienten Ministerialen ist kein Vorgang bekannt, dass ein Wirtschaftsminister die Dienste auf seine eigenen Leute ansetzen ließ."

Von 2022 bis heute ist es – je nach persönlichem Empfinden – eine lange oder auch kurze Zeit. Aber man kann sicher resümieren, dass die "altgedienten Ministerialen" unter Habeck ausgedient haben.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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