Afrika

Alte Muster in Afrika: Europäer "kümmern" sich jetzt um die dortige Natur

Sechzig Jahre nach der Unabhängigkeit der DR Kongo kann ein dort lebender belgischer Bergbau- und Holzabbau-Unternehmer Rechte für den "Schutz" von Waldflächen, halb so groß wie Belgien, erstehen. Auch in anderen Bereichen zeigt sich der Ressourcenfluch und bleibende koloniale Verbindungen zu Europa.
Alte Muster in Afrika: Europäer "kümmern" sich jetzt um die dortige NaturQuelle: Reuters © REUTERS/David Lewis

Von der Geschichte der Ausbeutung Afrikas durch europäische Kolonialmächte zeugen nunmehr noch Museen, wie das Königliches Museum für Zentralafrika or KMZA (Royal Museum for Central Africa (RMCA) nahe der belgischen Hauptstadt Brüssel, gebaut mit einem Fokus auf die frühere belgische Kolonie um den Kongo-Fluss. Die Demokratische Republik Kongo ist reich an Biodiversität sowie an Bodenschätzen wie Kupfer, Kobalt, Gold und Diamanten, in den Wäldern leben seltene Tierarten wie Berggorillas. 

Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung bezeichnet Kolonialismus "die Ausdehnung der Herrschaftsmacht europäischer Länder auf außereuropäische Gebiete mit dem vorrangigen Ziel der wirtschaftlichen Ausbeutung," auch erfährt man dort, dass eine weitgehende Dekolonialisierung bereits nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte. Kolonialismus ist also Geschichte, seit sechzig Jahren ist auch das rohstofffreiche südlich der Sahara unabhängig und mittlerweile weiß man um den instrinsischen Wert des Kongobecken-Waldes, der Millionen von Menschen und Tieren Nahrung, frisches Wasser, Schutz und Medizin bietet. Zudem schützt nach Ansicht von Wissenschaftlern ein großes Gebiet von Torfland als Kohlenstoffspeicher den Globus vor weiterem Klimawandel.

Umso empörter verweist Irène Wabiwa Betoko, Leiterin der Waldkampagne von Greenpeace Afrika, auf aktuelle Vorgänge, die doch stark an historische Raubzüge erinnern. So habe der damalige Umweltminister Claude Nyamugabo im September vergangenen Jahres ein Waldgebiet, das halb so groß ist wie Belgien an einen belgischen Geschäftsmann konzessioniert. Sechs "Waldschutz"-Verträge über fast 1,4 Millionen Hektar wurden laut Greenpeace an die kongolesische Firma Tradelink SARL vergeben, zu deren Anteilseignern Aleksandar Voukovitch gehört. Offiziell seien solche Konzessionen für die "Inwertsetzung von Umweltleistungen in Verbindung mit einem REDD+ Projekt" gedacht. REDD+ Projekte sollen Emissionen reduzieren, indem sie den Verlust von bedrohten Wäldern verhindern und lokale Gemeinden unterstützen.

Der im Kongo ansässige Belgier, Sohn einer tunesischen Mutter und eines serbischen Vaters, hat im Land bereits ein Vermögen durch Geschäfte im Bergbau, in der Öl- und Holzindustrie gemacht und ist Teilhaber der Firma Afritalia Trading, welche sich auf Ölhandel und Transportdienstleistungen für die großen Bergbau-Unternehmen des Landes spezialisiert hat. Laut Greenpeace Afrika sei jedoch unklar, über welche Kompetenz diese Firma im Bereich des Waldschutzes oder des Schutzes der Rechte der Waldgemeinschaft verfüge und wie diese Firma Naturschutz zu erbringen gedenkt. Anfragen beim zuständigen Ministerium seien jedoch unbeantwortet geblieben.

Zudem seien eine Reihe von Vorgaben nicht eingehalten worden und beispielsweise die höchstmögliche Fläche für solche Verträge um mehr als das Doppelte überschritten worden. Zwei lokale Organisationen haben daher Verwaltungsbeschwerde eingereicht mit dem Ziel, die Annullierung von sechs der von Claude Nyamugabo "illegal" erteilten Naturschutzkonzessionen zu erreichen. Sorge bereitet Greenpeace Afrika auch, dass Voukovitch Eigentümer der Holzfällerfirma Compagnie forestière de l'Equateur (CFE) ist und an einer Reihe unsauberer Geschäfte im Land beteiligt gewesen sein soll. Unterzeichner der Konzessionsverträge, die vom kongolesischen Umweltminister an Tradelink vergeben wurden, ist Pierre Nakweti Kikangu, der nach Recherchen von Greenpeace früher bereits Geschäfte der Abholzungsfirma CFE für Voukovitch unterzeichnet hat. Der gleiche Nakweti hat demnach im Jahr 2009 die US-Firma Triple A International vertreten, die versuchte, eine Schuld aus der Ära von Mobutu einzutreiben, nachdem sie die zairische Armee mit "leichter militärischer Ausrüstung" im Wert von 14 Millionen Dollar ausgestattet hatte. Auch in den "Panama Papers" tauchte Voukovitch auf. Zudem soll er in einem Streit mit der kanadischen Bergbaufirma El Nino Ventures versucht haben, illegal Bergbaukonzessionen, an denen El Nino Mehrheitsanteile hielt, auf "eine neu gegründete Firma zu übertragen, deren einziger Zweck es war, der Übernehmer der Genehmigungen zu sein."

 "Wie merkwürdig! Kein Wort von der kongolesischen Nomenklatura - immer so empfindlich, wenn es um nationale Souveränität" geht - wenn sechzig Jahre nach der Unabhängigkeit ein Minister ein Lehen von der halben Größe Belgiens an eine Firma verkauft, die mit einem belgischen Auswanderer verbunden ist. Diese skandalösen Konzessionen müssen sofort rückgängig gemacht werden, und ihre Vergabe muss zu den ohnehin schon schweren Anklagen gegen Claude Nyamugabo hinzugefügt werden," fordert Irène Wabiwa Betoko.


Während 1885 mit der Kongokonferenz in Berlin der folgenreiche “Wettlauf um Afrika” -  in dem sich Leopold II. von Belgien das rohstoffreichste Stück des afrikanischen Kuchens sichern konnte - unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Zivilisierungsmission erst richtig losgetreten wurde, dient nach Ansicht einiger Beobachter heutzutage der Vorwand des Naturschutzes nicht minder ungerechten Raubzügen auf Kosten der lokalen Bevölkerung.

So kritisiert Fiore Longo von der Organisation Survival International, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzt, beispielsweise Naturschützer von WWF für deren Anstrengungen auf vor allem von westlichen, weißen Vertretern besuchten Veranstaltungen, bei denen wichtige Entscheidungen über die Wälder des Kongobeckens getroffen werden, ohne dass lokale Anwohner einbezogen werden. Diese werden dadurch vertrieben und ihrer Lebensgrundlagen beraubt, obwohl gerade diese Stammesangehörigen die besten Naturschützer sind und ihre Umwelt besser verstehen als jeder andere, so Longo. Obwohl solche von Indigenenen bewohnte Gebiete nur 22 Prozent der Landfläche der Welt ausmachten, beherbergen sie 80 Prozent der Biodiversität der Erde.

"Die Tatsache, dass gefährdete Arten noch auf ihrem Land überleben, während sie anderswo bereits ausgerottet wurden, sollte für sich selbst sprechen: Die Wahrheit ist, dass Stammesangehörige die besten Naturschützer sind und ihre Umwelt besser verstehen als jeder andere."

Das legen auch andere Organisationen und Forschungseinrichtungen nahe. Laut Survival International werden dutzende Regenwaldstämme im Kongobecken im Namen des Naturschutzes illegal von ihrem angestammten Land vertrieben: Nationalparks und andere Schutzgebiete wurden ohne ihre Zustimmung auf ihrem Land eingerichtet, oft mit wenig oder gar keiner Beratung. Einige der größten Naturschutzorganisationen der Welt, vor allem der World Wildlife Fund (WWF) und die Wildlife Conservation Society (WCS), waren dabei Hauptakteure. Auch die Rainforest Foundation hat bereits vor Jahren aufgezeigt, dass Gelder in dreistelliger Millionenhöhe aus den USA und der EU zum Schutz des Regenwaldes weder diesem noch den Menschen vor Ort zugutekommen.

Die entwicklungspolitische Organisation Inkota macht auf die Rolle der Region im Dilemma der hiesigen Mobilitätswende aufmerksam. Mit der Energiewende und Elektromobilität, Digitalisierung und Industrie 4.0 ist der Bedarf an Kobalt insbesondere für die Produktion von Speichersystemen rasant angestiegen. Kobalt ist so zum wirtschaftsstrategischen Rohstoff geworden, sein Bedarf wird sich bis zum Jahr 2026 mehr als verdoppeln.

Kobalt wird vorwiegend in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut, womit Menschenrechtsverletzungen und die unumkehrbare Zerstörung von Ökosystemen und damit der Lebensgrundlage vieler Menschen einhergehen. Obwohl es Vorkommen in einigen anderen Ländern gibt, wird die DR Kongo mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig der größte Primärproduzent von Kobalt bleiben. Und während Optimisten in der E-Autobranche an Ersatztechnologien arbeiten, ist sich das belgische Unternehmen Umicore - einer der führenden Zulieferer für Batterierohstoffe in Europa - gewiss, dass ein Ersatz für die Nutzung von Kobalt in Batterien noch mindestens 30 Jahre nicht zu haben sein wird. Neben dem ökologischen Desaster und soziale Missstände wie Vertreibung und Ausbeutung von Menschen ist auch Kinderarbeit ein Problem, welches Inkota beim Abbau von Kobalt anprangert.

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