Wirtschaft

ifo-Chef: Stabilität des globalen Finanzsystems in Gefahr

Nach der Pleite der SVB sind die Turbulenzen der USA über den Atlantik nach Europa geschwappt. Laut Clemens Fuest, Chef der ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, sind die Zinsanhebungen verantwortlich für die Probleme, die nun am globalen Finanzsystem rütteln. Die EZB erhöhte die Zinsen zugleich weiter.
ifo-Chef: Stabilität des globalen Finanzsystems in GefahrQuelle: www.globallookpress.com © Frank May/picture alliance/Global Look Press

In der vergangenen Woche hatte Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, gesagt, dass eine große Zinserhöhung bei der Sitzung am Donnerstag "sehr wahrscheinlich" sei. Das war jedoch, bevor die Silicon Valley Bank in den USA zusammenbrach und die Aktien der europäischen Banken einbrachen, da die Befürchtung aufkam, dass es zu einer Zeit, in der sich die Banken auf schnell steigende Zinssätze einstellen, zu weiteren Problemen kommen könnte.

Lagarde und die EZB haben sich bis Donnerstagnachmittag nicht öffentlich zu den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor geäußert, die zunächst zu einem Einbruch der Aktien des großen Schweizer Kreditinstituts Credit Suisse und dessen Antrag auf Finanzierung durch die Schweizer Zentralbank in dieser Woche führten. Die EZB-Beamten halten sich in der Regel eine Woche vor einer Zinsentscheidung zurück, um übermäßige Marktschwankungen und Spekulationen auf der Grundlage der Kommentare der Beamten zu vermeiden. Später gab die EZB dann bekannt, den Leitzins im Euroraum auf 3,5 Prozent anzuheben.

Nach der globalen Finanzkrise, die auf den Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 folgte und zu 600 Milliarden Euro an steuerfinanzierten Rettungsmaßnahmen für europäische Banken in den Jahren 2008 bis 2012 führte, hat das europäische Bankensystem eine Reihe von Schutzmaßnahmen ergriffen.

Bankenreformen zwangen die Geldhäuser dazu, dickere Finanzpolster gegen Verluste vorzuhalten, und stellten die größten Banken unter die Aufsicht der EZB, so dass sie nicht mehr von den nationalen Aufsichtsbehörden überwacht wurden, die bei den Problemen, die sich bei ihren Heimatbanken auftürmten, ein Auge zudrückten.

Die europäischen Banken halten sich auch an internationale Vorschriften, die die Höhe der Barmittel erhöhen, die sie zur Deckung von Einlagen vorhalten müssen. Kleinere US-Banken waren von dieser Regel ausgenommen; Silicon Valley war eine von ihnen.

Doch all dies hat die EZB in dieser Woche nicht davon abgehalten, sich mit dem US-Bankenkrach zu beschäftigen. Deutliche Anzeichen dafür zeigten sich am Mittwoch, als die Aktien der europäischen Banken um 8,4 Prozent fielen.

Die Aktien der Credit Suisse, der zweitgrößten Schweizer Bank, brachen um bis zu 30 Prozent ein, nachdem ihr größter Investor, die Saudi National Bank, erklärt hatte, dass sie keine weitere finanzielle Unterstützung leisten könne.

Die Credit Suisse, deren Probleme schon vor dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank bestanden, wandte sich daraufhin an die Schweizerische Nationalbank, um einen Kredit von bis zu 54 Milliarden US-Dollar zur Stabilisierung ihrer Finanzen zu erhalten, was die Aktie am Donnerstag um rund 30 Prozent wieder ansteigen ließ.

Nach Einschätzung von Nicolas Véron, Bankenexperte bei der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, habe die EZB die Auswirkungen höherer Zinssätze auf ihre Banken sorgfältig untersucht. Jedoch räumt er zugleich ein, dass er sich angesichts der Situation in den USA stark verschätzt habe: "Hätten wir unser Gespräch vor einer Woche geführt, hätte ich auch Vertrauen in die US-Bankenaufsicht geäußert", sagte er und bezeichnete die US-Bankenzusammenbrüche als Beweis für ein "ziemlich unerklärliches Aufsichtsversagen" der US-Notenbank.

"Und weil die Fed einen solchen Status hat, schafft dies eine Art Zweifel an der Qualität der Aufsicht und daran, ob das, was wir über die Banken zu wissen glauben, tatsächlich richtig ist", so Véron.

Die Silicon Valley Bank ist gescheitert, nachdem sie Verluste mit staatlich besicherten Anleihen erlitten hat, die durch den Anstieg der Zinssätze an Wert verloren haben. Die US-Notenbank und andere Zentralbanken hatten die Zinssätze drastisch erhöht, um die Inflation zu bekämpfen. Der Zusammenbruch der SVB weckte die Sorge, dass rasche Zinserhöhungen zu weiteren Problemen im Bankensystem führen könnten, wenn die Banken ähnliche Verluste in ihren Bilanzen hätten.

Auch die EZB hatte die Zinssätze bereits in einem noch nie dagewesenen Tempo angehoben, um die seit Monaten wütende Inflation einzudämmen, die vor allem durch höhere Energiepreise im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine angeheizt wurde, sich aber auch deutlich im Lebensmittelsektor zeigt. Die Leitzinsen der EZB wirken sich auf die Kreditkosten in der gesamten Wirtschaft aus und verteuern den Kauf von Waren oder Investitionen in neue Produktionen. Dadurch kühlt sich die Nachfrage nach Gütern ab und der Aufwärtsdruck auf die Preise lässt nach.

Die Leitzinsen der EZB lagen bei 3 Prozent für kurzfristige Kredite an Geschäftsbanken und bei 2,5 Prozent für Einlagen von Banken bei der EZB. Dennoch lag die Inflation im Februar mit 8,5 Prozent deutlich über dem Ziel der Bank von 2 Prozent, während die gestiegenen Preise aufgrund politischer Maßnahmen erst langsam zurückgehen, nachdem sie im Oktober einen Höchststand von 10,6 Prozent erreicht hatten.

Die Sorge, dass die Schockwellen der Bankenprobleme über den Atlantik schwappen, wurde zwar zunächst beschwichtigt, doch zeigte sich deren Berechtigung nicht nur in den Ereignissen um die Credit Suisse. Auch ifo-Chef Clemens Fuest bekräftigte am Donnerstag, dass die Stabilität es globalen Finanzsystems in Gefahr sei. Zwar seien laut Fuest auch die Zinsanhebungen verantwortlich für die Probleme, dennoch empfahl er der EZB, den Leitzins um 50 Basispunkte anzuheben, was am Donnerstag auch geschah.

Die Misere der SVB sei zudem darauf zurückzuführen, dass sie ihre Einlagen in Staatsanleihen angelegt habe ‒ und während Einlagensicherung in Europa bisher ernster verfolgt wurde als in den USA, setzen auch auf dem alten Kontinent viele Banken auf Staatsanleihen ‒ dafür müsse kein Eigenkapital vorgehalten werden. Dass dies ein Problem ist, hatten Experten seit langem moniert, wurde jedoch seitens der Politik weitgehend ignoriert. Auch der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hatte laut Fuest ‒ selbst Mitglied ‒ darauf hingewiesen, dass ein stärkerer Anteil von Eigenkapital zur Absicherung notwendig sei.

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