Meinung

Ist das neutraler Journalismus? Wie Medien die Satirikerin Lisa Fitz für Corona-Aussage attackieren

Die Kabarettistin Lisa Fitz mischt sich satirisch in die Debatte um die aktuelle Corona-Politik ein und wird dafür vom journalistischen Mainstream scharf angegriffen. Seit den frühen 1990er Jahren präzedenzlos schneidet der "öffentlich-rechtliche" Fernsehsender den satirischen Beitrag gar aus dem Sendungsarchiv heraus.
Ist das neutraler Journalismus? Wie Medien die Satirikerin Lisa Fitz für Corona-Aussage attackierenQuelle: Gettyimages.ru © picture alliance

von Anton Gentzen 

RT DE wird von vielen Seiten als "russische Propaganda" verunglimpft, die journalistischen Standards nicht entspreche. Vorgeworfen wird einseitige Berichterstattung und ein Mangel an Neutralität. Et cetera, et cetera, et cetera. Ganz vorn unter den moralinsauren und dauerempörten Kritikern immer und immer wieder die taz und das Redaktionsnetzwerk Deutschland

Sicher, auch in den Berliner Büros von RT DE arbeiten Menschen – mit eigenen Meinungen, Überzeugungen und Emotionen. Manchmal entgleiten sie auch dem professionellsten und ethischsten Journalisten. Doch, werter Leser, haben Sie in den Meinungsartikeln auf dieser Nachrichtenplattform oder in der Berichterstattung hier jemals gelesen, dass eine fremde Meinung oder eine für falsch angenommene Tatsachenbehauptung als "Geschwurbel" abgewertet wurde? 

Genau das leisteten sich heute ausgerechnet unsere Möchtegern-Lehrmeister, die "Reinheitsproben" und "goldenen Standards" des Journalismus, RND und taz.

Gestatten, Lisa Fitz, die "Antisemitin"

Lisa Fitz, falls jemand sie nicht kennt, ist eine in der Schweiz geborene Kabarettistin, Schauspielerin und Sängerin. Eigentlich müsste sie der Darling aller "Woken" und "Linken", all der Feministen und Feministinnen, der Genderer und Weltverbesserer sein: Als Deutschlands erste Frau mit einem aus eigenen Texten bestehenden Soloprogramm bleibt sie in den Annalen des deutschen Kabaretts und Kleinkunstbühnen. Das war bereits 1983.

Gut, in der DDR machte Helga Hahnemann seit den 70ern die Bühnen der Republik auch mit eigenen Texten unsicher, aber die Annalen des wiedervereinigten Deutschlands werden nicht durch die Archivare des Deutschen Fernsehfunks geschrieben. Korrigieren wir uns: Westdeutschlands erste Kabarettistin mit eigenen Texten war Lisa Fitz – immerhin.

Rollen in Kinofilmen, Hörspielen, Fernsehserien. Eine Gesangskarriere mit 18 Alben, Bücher, Preise, Auszeichnungen... Sogar ein Verdienstorden. Jemand, um die sich jede Talkshow reißen würde und bisher gerissen hat. 

Bisher, denn 2017 begann Lisa Fitz beim Mainstream anzuecken. Zuerst wagte sie es in der fast vergessenen Tradition linken politischen Kabaretts nicht nur die mittleren Etagen der gesellschaftlichen Hierarchie, all die Politdarsteller und öffentlichen Frontmänner anzugreifen, sondern die Strukturen und Profiteure dahinter. Fast vergessen, denn ab und zu lässt "Die Anstalt" im ZDF ein Whiteboard vor die Kameras rollen und klebt Kärtchen darauf, die einen flüchtigen Einblick in die tatsächlichen Machtverhältnisse im Land und der Welt ermöglichen.

Doch die herrschende Klasse hat inzwischen eine Waffe gegen linke, satirische und ernste Kritiker in der Hand: Sie anzugreifen oder gar nur namentlich anzusprechen, gilt dem politkorrekten Mainstream heute als Antisemitismus. Weil es unter den Tausenden Milliardären und Supermilliardären dieser Welt mit Sicherheit auch ein paar Juden gibt, ist jede klare Benennung der kapitalistischen Machtverhältnisse inzwischen unter "Linken" verpönt und "strukturell antisemitisch".

Eine Verschwörungstheorie, die zur Wiederholung des Holocaust führen kann, als habe Hitlers Verschwörungstheorie nicht im exakten Gegenteil bestanden: Bei den Bolschewiki wähnte er die jüdische "Verschwörung", nicht beim Kapital.

Der skandalumwobene Song "Ich sehe was, was du nicht siehst"

Einen rabiat vorgehenden Investmentfonds als "Heuschrecke" zu bezeichnen, traut sich heutzutage nicht einmal ein radikaler Revoluzzer mehr, geschweige denn ein sozialdemokratischer Finanzminister und bald werden mit Sicherheit selbst die Begriffe "Kapitalist" und "Kapitalismus" als "antisemitische Codewörter" gelten. Gut haben sich da die deutschen, englischen, Schweizer, russischen, arabischen, französischen Kapitalisten hinter ihren "Klassenfreunden" jüdischer Abstammung verschanzt. Die soziale Revolution ist bis auf Weiteres als "neurechtes" Teufelszeug abgesagt. 

"Die Puppenspieler sitzen ganz woanders 

Ein illustrer Kreis, oh ja, der kann das.

Der Teufel kackt da auf den Haufen, 

Die können sich die Welt einfach kaufen",

singt Fitz in dem Song "Ich sehe was, was du nicht siehst". Ich weiß nicht, wie sich das von Erich Kästners "Ansprache an Millionäre", von Brechts "Lied vom Klassenfeind", Gedichte von Tucholsky und Ossietzky unterscheidet. Und auch Bob Dylan zerrt in seinem wütenden "Masters of War", das bei jedem US-amerikanischen Auslandsabenteuer fester Bestandteil seiner Setlists ist, nicht die Marionetten, sondern die Strippenzieher unter den Kriegsprofiteuren aus dem Verborgenen ins Licht und trägt sie sodann zu Grabe. Allein der Umstand, dass Fitz einen der wenigen superreichen Strippenzieher, die die Öffentlichkeit gar nicht erst scheuen, George Soros, namentlich benennt, macht für mich da keinen Unterschied. Heute würden sie alle als Antisemiten gelten. Gegen Lisa Fitz wurde der Vorwurf tatsächlich erhoben. 

Was darf Satire? Was darf Journalismus? 

Ein Wunder in unseren aufgeregten und verkrampften Zeiten, dass die Songschreiberin und Kabarettistin da überhaupt noch ins Fernsehen durfte. Bis jetzt.

Denn nun wagte sie sich an die Corona-Politik der Angstmacher und deren Deutungshoheit heran. In der ARD-Sendung "Spätschicht" hielt sie dazu ein kurzes Stand-up. Mittlerweile löschte der Sender den Auftritt, mit etwas Spürsinn kann man den Videoausschnitt in den Weiten des Internets noch auffinden. Ich habe reingehört: Mich hat es nicht umgeworfen. Die verteilten satirischen Schläge waren nach Gusto und Toleranzschwelle eines langjährigen "Scheibenwischer"-Konsumenten eher schwach, schonend, mild gesetzt. 

Doch das reichte schon für den medialen Entrüstungssturm. "Schwurbelei in der ARD", titelt heute die taz, das Berliner Boulevardblättchen für Grüne. Das RND, das vorgibt, die gesamte journalistische Recherchearbeit in Deutschland übernommen zu haben, empört sich über den "Schwurbelauftritt von Lisa Fitz" und freut sich: "3sat streicht Kabarettshow aus dem Programm".

Möglicherweise haben die Meister der Neutralität und der journalistischen Standards ja gerade keinen Duden zur Hand: "Umgangssprachlich abwertend", nennt es der Duden, wer weiter gehen will, kann es sogar Gossensprache nennen. Wann wurde eine solche Sprache in deutschen Tageszeitungen zur Normalität? Seit wann gilt es als neutrale und sachliche Berichterstattung, Andersdenkende, mögen sie auch Kritik verdient haben, so abzuwerten?

Und worüber überhaupt die Aufregung? Lisa Fitz schimpfte auf die Politik, nahm die wechselnden und widersprüchlichen Aussagen aufs Korn, folgte der Spur des Geldes. Also das, was Politkabarett sein muss und hoffentlich noch ist. Und dann nannte sie in ihrem Auftritt eine Zahl: 5.000. Fünftausend Impftote solle es in der EU bereits geben, sagte sie. Nicht Millionen, keine Milliarden, fünftausend. Mich haut dies bei rund 450 Millionen Europäern, davon weit über die Hälfte gegen Corona geimpft, nicht vom Hocker. Aber selbst diese nicht wirklich beängstigende Zahl reichte den moralwachenden Journalisten von taz und Co. für einen mittelschweren Entrüstungssturm. Falschinformationen würde Fitz damit verbreiten. Wirklich?

Erstens, "Kollegen": Bis auf die Kommastelle exakt muss die Berichterstattung von Journalisten sein. Politiker sollten in ihren Reden so exakt wie möglich sein. Wissenschaftler sollen unter sich ausmachen, wie exakt sie wann und wo sein wollen und bis auf welche Stelle sie runden. Aber von Kabarettisten Genauigkeit zu verlangen, ist einigermaßen schräg.

Zweitens. Hat denn jemand von den Empörten in den Berichten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) geprüft, wie die Faktenlage überhaupt ist? Da ist ein Dokument auf der Homepage des PEI für jedermann abrufbar, das den etwas sperrigen Titel "Bericht über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 (Berichtszeitraum 27.12.2020 bis 30.09.2021)" trägt. In diesem ist auf Seite 12 nachzulesen, dass bei einem Stand von 107 Millionen verimpften Impfdosen Ende September 1,6 Fälle von Nebenwirkungen pro tausend Impfdosen gemeldet wurden: 172.188 Fälle. Auf Seite 14 findet sich oben eine Tabelle, der man entnehmen kann, dass bei dem am meisten verwendeten Impfstoff, der von BioNTech/Pfizer, 1,3 Prozent der gemeldeten Nebenfolgen und Komplikationen einen tödlichen Ausgang hatten. Die anderen Impfstoffe sind da zwar etwas besser – der mit der geringsten Letalität ist laut dem PEI der von Moderna. Insgesamt zählt das PEI 1.802 Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Impfung auf. 

Das sind 1.802 allein auf Deutschland bezogen. Und warum soll die Zahl 5.000, die sich ausdrücklich auf die gesamte EU bezogen, dann eine Falschinformation sein? Ist zumindest nicht so offensichtlich, wie RND und taz und all die anderen Entrüsteten es vorgeben. Oder meinten die "seriösen Journalisten" mit "Falschinformation", dass Fitz zu gering geschätzt hätte?   

Sicher, man kann argumentieren, dass die oben dargestellten Fälle "nur" Verdachtsfälle seien, ein Obduktionsergebnis liegt in den seltensten Fällen vor. Doch auch die Zahl der durch die Infektion verursachten Todesfälle, mit denen wir in Presse und Politik operieren, ist nicht gerichtssicher durch die Rechtsmedizin festgestellt.

In einer normal funktionierenden Gesellschaft unter gesundem gesellschaftlichem Klima stünden beide Zahlen zur offenen Diskussion und Bewertung. Doch auch in dem hysterisierten und tief kranken Deutschland unserer Tage gilt: Wenn schon Ärzte Todesfälle in Zusammenhang mit der Impfung bringen, dann darf eine Kabarettistin diese Zahlen aufgreifen. Sie darf auch schätzen, wenn sie sich dabei nicht um Dimensionen vergreift. 

Lisa Fitz hat das getan, was Satire tun darf und linkes Politkabarett tun muss. Wie es sich mit uns Journalisten verhält, entscheidet der Leser selbst. 

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.  

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