Meinung

Vorösterliches Haken-Schlagen: Markus Söder im Schlaglicht

Zwischen Pleiten, Pech und Pannen in der Corona-Bekämpfung fallen dem heimlichen Kanzlerkandidaten Markus Söder (CSU) ausgerechnet sein Vize-Fraktionschef und ein weiterer Unionsabgeordneter in den Arm. Eine heiter betrachtete, aber tieftraurige Abrechnung.
Vorösterliches Haken-Schlagen: Markus Söder im SchlaglichtQuelle: www.globallookpress.com © Matthias Balk/dpa

von Stephan Fein

Es hat etwas Österliches, etwas Leidendes, einen Hauch von Karfreitag und etwas Verheißungsvolles – wie bei einer ordentlichen Auferstehung –, was Markus Söder derzeit umweht. Er steht nicht im Ruf, ein Angsthase zu sein, der bayerische Ministerpräsident und geheime Kanzleramtskandidat. Das Hakenschlagen hat er allerdings gut drauf. Wie der Osterhase.

Er verspricht Lockerungen für den Handel etwa, aber dies nur nach einem reichlich wirren Plan und Inzidenzen, die er in seinem Bundesland kaum erreichen wird. In Bayern ist der landesweite Inzidenzwert weiter gestiegen, die Zahl der Corona-Hotspots ebenfalls auf 24. Der landesweite Inzidenzwert am Dienstag ist auf 74,2 gestiegen. Zeit für einen Haken-Schlag bei Söder: Er möchte ja die starren Regeln lockern und demnächst auch Studierende impfen. Bald! Genauer wird er nicht.

Dann folgt der Haken: Bald soll es eine Testpflicht für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte in Hotspot-Regionen geben. Erst Zuckerbrot und Öffnung, dann die Peitsche mit einer Testpflicht. 

Wenn es opportun klingt, schlägt Söder gerne Haken. Nebenwirkungen sind ihm egal.

Nun die schwergeprüfte Leidensphase in der eigenen Partei. Der alte Spruch stimmt: In der Politik ist dein Parteigegner der größte Freund; der größte Feind sitzt dagegen in der eigenen Partei. Einer, der CSU-Vizefraktionschef und bis vor kurzem noch überzeugter Alt-Söderaner, wurde wohl beim Griff in den Mustopf erwischt. Die Anschuldigung: Georg Nüßlein soll für seine Lobbyarbeit zugunsten eines Maskenherstellers eine hohe fünfstellige Summe – mutmaßlich 660.000 Euro – über eine Firma zumindest mitkassiert haben.

Mit knappen Masken Geld zu verdienen! Eine Katastrophe für einen Kanzler in spe. Es wurde flugs eine Sitten-Agenda zurechtgezimmert, Nüßlein als schwarzes Schaf gebrandmarkt und aufgefordert zu gehen. Interessant, dass von solch seiner Sitten-Agenda unlängst – während der Diskussion über ein dringend angemahntes Lobbyregister für den Deutschen Bundestag – noch niemand wusste. Etwa so wie auch Unions-Kollege Nikolas Löbel (CDU). Er soll für einen Maskenhersteller geworben und 250.000 Euro marktüblich konditioniert haben. Wo war da die Agenda? Der Maskenmann Nr. 2 hing seine Ämter mittlerweile doch lieber sofort an den Nagel. Nüßlein dagegen ziert sich noch.

Es fielen bemerkenswerte Worte zu Sachverhalten, die möglicherweise strafbar sind. Gero Himmelsbach, Anwalt des genannten Söder-Freundes, erklärte in der Frankfurter Allgemeinen: "Aufgrund langjähriger Kontakte zu einem chinesischen Anbieter gelang es Dr. Nüßlein in schwierigen Tagen, dass qualitativ hochwertige Masken in der erforderlichen Stückzahl geliefert werden konnten." Hierfür habe das Beratungsunternehmen von Nüßlein eine Vergütung erhalten. Der Abgeordnete sei aber nicht an Entscheidungen zur Beauftragung von Lieferungen oder an Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen. Ebenso wenig hätten die Vorgänge die parlamentarische Tätigkeit berührt. "Die Vorwürfe der Bestechung werden deshalb entschieden zurückgewiesen." Immerhin habe auch sein Steuerberater Nüßlein bestätigt, dass die Vermittlungstätigkeit umsatzsteuerfrei sei.

Auch heute liebt das Volk zwar den Verrat, aber nicht den Verräter. Und erst recht nicht dessen Rechtsanwalt. Und doch gilt die Unschuldsvermutung. Wo sind die Fakten? Beratung ohne zu beraten, Geld bekommen, aber dies nicht zu versteuern. Ist das der Markenkern der Union? Nüßlein will seine parlamentarische Karriere erst nach der Bundestagswahl im Herbst beenden. Der Rechtsstreit ziehe sich hin.

Der gewatschte Söder hat nun genug von gierigen Parteifreunden. Es folgt eine Oster-Katharsis auf Södersche Art, die Reinigung samt Hoffnung. So twitterte er: "Es ist nicht zu tolerieren, wenn Volksvertreter die Krise zum Geschäft machen. Das ist mit den Grundwerten der Union unvereinbar." Nüßlein tritt aus der Partei aus. 

Söder will das Kapitel "Maskenmänner" schnell beenden. Neue Hürden drohen. Die versprochenen kostenlosen Corona-Schnelltests sind in vielen bayerischen Apotheken nicht verfügbar. Flugs macht Söder den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für diesen Fehler in der Logistik verantwortlich. Durch gekonnten Hakenschlag ausgewichen. Während der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, noch in der BamS "nicht einmal ansatzweise weiß, wann diese Schnelltests in welchem Umfang von wem geordert und zu wem geliefert werden sollen", wälzt Söder die Schuld auf Spahn ab.

Nur: Wer bezahlt die wöchentlichen Schnelltests pro Bundesbürger? Was passiert, wenn sich einer daheim positiv testet und dann zum PCR-Test muss? Wer zahlt den? Ist der dann registriert? Oder bleibt er lieber gleich daheim?

Fragen, denen der geübte Hakenschläger gleich aus dem Weg geht. Fazit: Es bleibt ein unüberschaubares Öffnungsszenario. Ein hoffnungsloses Durcheinander auch an den Schulen. Es fehlen immer noch die Impfstoffe. Die Testzentren sind leer, die Schulen Drogerien und Supermärkte voll, oder zumindest halbvoll, weil auch wieder keiner weiß, ob er rein darf, muss oder soll. All das sind weitere Nadelstiche für Söders Image.

Söder öffnet Läden, Galerien, schlägt aber an den Grenzen einen Haken und lässt sie bewachen, während immer neue Mutanten–Viren ungehindert quer durchs Land reisen. Jeder Zweite hat angeblich schon eine. Nur keinen Schnelltest. Und keine Impfeinladung.

Der Söderhase hat sich vertwittert. Er ist weg. Er hat sich samt seinem Osterurlaub versteckt. Man darf ihn suchen, aber nur bei einer Inzidenz unter 65 bis maximal 15 km vom Haus entfernt. Und das nur, ohne drei Leute aus zwei Hausständen zu treffen, so verlangt es Ihre Inzidenz Dr.  Wieler, oder so ähnlich.

Und während die Familie noch Eier samt Osterurlaub mit Abstand sucht, enteignet der neue Söder-Partner in Berlin, der Grüne Anton Hofreiter, lieber vorausschauend das Einfamilienhaus und zieht gemeinsam mit einer fröhlichen, irakischen Zuwandererfamilie in den ersten Stock. Grüne im Boot, Klima gerettet, Zuwanderer integriert. Am Ende wird für den Söder alles gut. Der Rest ist dem eh wurscht.

Eine aktuelle Umfrage von Meinungsforschern der transatlantischen Kantar Group zeigt die Union nur noch bei 32 Prozent Zustimmung. Das sind zwei Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche. Söders Werte sanken in einer Umfrage vom Meinungsforschungsinstituts Civey von 71 Prozent auf dem Höhepunkt der ersten Pandemiewelle auf nunmehr 42 Prozent – durch Verlust all derer, die ausdrücklich unzufrieden mit seiner Arbeit sind. Viele potenzielle Wähler konnten dem Hakenschläger nicht immer leicht folgen.

Wo liegen wohl seine Umfragewerte, wenn sein Parteifreund Nüßlein die letzten Diäten im Spätsommer kassiert hat? Bis dahin wird er weitere 60.000 Euro an Diäten bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode erhalten. Für Söder, den Chefaufklärer und Corona-Hakenschläger eine ziemlich verschlumpfte Situation.

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