Deutschland

"Erdoğans Schergen" – Politiker fordern Reaktion von Bundesregierung nach Angriff auf Journalisten

Nachdem der exilierte türkische Journalist Erk Acarer am Mittwoch vor seinem Haus in Berlin von drei Männern überfallen und ihm gedroht wurde, er müsse mit dem Schreiben aufhören, werden Stimmen lauter, die eine klare Positionierung der Bundesregierung gegenüber Ankara einfordern.
"Erdoğans Schergen" – Politiker fordern Reaktion von Bundesregierung nach Angriff auf JournalistenQuelle: www.globallookpress.com © Uwe Zucchi/dpa

Nachdem der regierungskritische türkische Journalist Erk Acarer an seinem Wohnsitz in Berlin von mehreren Männern angegriffen und bedroht wurde, fordert unter anderem die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe eine unmissverständliche Reaktion von der Bundesregierung:

"Ich erwarte auch von der Bundesregierung eine klare Haltung hierzu, dass das deutlich angesprochen wird, dass diese Aktivitäten unterbunden werden – in Deutschland ist das ja nicht erlaubt –, und da muss die Bundesregierung und auch die Bundeskanzlerin in den Gesprächen mit Erdoğan das klar zur Haltung bringen", so Kiziltepe am Freitag.

Die in Berlin geborene studierte Volkswirtin hatte selbst bereits Polizeischutz in Anspruch nehmen müssen, nachdem sie von türkischer Seite bedroht worden war. Sie warnte vor einigen Jahren, dass die Türkei ein Gefängnis für Journalisten sei, in dem die meisten Journalisten weltweit im Gefängnis sitzen und die Meinungs- und Pressefreiheit wie auch die Rechte der Opposition stark beschnitten werden.

Acarer, der im deutschen Exil lebt, war in der Nacht vom Mittwoch in Berliner Stadtteil Rudow von mehreren Angreifern bedroht und verletzt worden. Er erlitt eine Wunde am Kopf und wurde medizinisch behandelt. Der Angriff ereignete sich nach Polizeiangaben gegen 21.50 Uhr im Innenhof seines Wohnhauses. Zwei Männer hätten den 48-jährigen Journalisten geschlagen und getreten, ein dritter Mann habe die Umgebung beobachtet. Als Zeugen aufmerksam wurden, seien die Männer geflohen, teilte die Polizei am Donnerstag mit.

Der für politisch motivierte Taten zuständige Staatsschutz im Landeskriminalamt (LKA) ermittelt. Zahlreiche Journalisten und Politiker erklärten sich solidarisch mit Acarer und verwiesen auf "den langen Arm Erdoğans". Die Polizei äußerte sich zunächst nicht dazu, wer hinter dem Angriff stecken könnte. Nach dem Angriff twitterte Acarer am Mittwochabend ein Foto von sich und schrieb dazu auf Türkisch: "Ich bin in meinem Haus in Berlin mit Messer und Faust angegriffen worden." Er sei nicht in Lebensgefahr, dass er glimpflich mit einigen Wunden davongekommen ist, habe er auch der Nachbarschaft zu verdanken, da die Angreifer durch Augenzeugen in Panik geraten seien, wie er später erklärte.

Der Journalist und seine Ehefrau sprachen von drei Angreifern mit Waffen, womöglich Gewehren oder Messern. Einer von ihnen habe gesagt:

"Du wirst nicht mehr schreiben."

Im Interview mit dem rbb sagte Acarer, es habe sich zweifellos um Auftragsschläger gehandelt, die Ankara geschickt habe, sie gehören laut dem Regierungskritiker zu den in Deutschland für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP/MHP-Regierung agierenden Gruppen.

"Dieser Angriff ist der Beweis dafür, dass alles, was wir gegen die islamistische und faschistische AKP-MHP-Regierung geschrieben und gesagt haben, korrekt ist."

Erdoğans Partei AKP regiert in einem Bündnis mit der ultranationalistischen MHP, die der rechtsextremistischen türkischen Bewegung der "Grauen Wölfe" ("Ülkücü"-Bewegung) nahesteht.

In den vergangenen Wochen hätten türkische Regierungspolitiker, darunter Innenminister Süleyman Soylu (AKP), Acarers kritischen Berichte mit Beleidigungen quittiert, einer habe gar öffentlich gefordert, man müsse ihm "Hundegift" verabreichen, erklärte der Journalist im Interview mit dem rbb.

Acarer lebt seit 2017 in Berlin im Exil und schrieb zuletzt unter anderem über Verbindungen zwischen dem türkischen Staat und der Mafia. Nach dem Angriff sagte er Al-Monitor, es würde zu weiteren Angriffen kommen, um die Journalisten hier einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, wenn jetzt nicht gehandelt werde. Er selbst wolle sich aber nicht von seiner Arbeit abhalten lassen.

"Aber ich bin nicht im Geringsten verängstigt. Dies sind die letzten Kämpfe einer schwächelnden Regierung. Wir werden nicht zum Schweigen gebracht werden; wir werden uns durchsetzen."

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen kommentierte den Vorfall ebenfalls mit Blick auf mögliche weitere Angriffe durch die türkische Regierung:

"Erdoğans Schergen greifen in Berlin einen Exil-Journalisten in seiner Wohnung mit Messern an. Wie lange will die Bundesregierung dem lebensgefährlichen Treiben des Erdoğan-Netzwerks noch zuschauen?"

Rund 200 Menschen kamen am Donnerstag zu einer kurzfristig organisierten Solidaritätskundgebung für Acarer. Der Linke-Politiker Hakan Taş, der selbst schon in Berlin von Erdoğan-Anhängern angegriffen worden war, sagte, dass türkische Oppositionelle in Berlin immer wieder zur Zielscheibe "türkischer Faschisten" würden. "Das sind Leute, die der verlängerte Arm Erdoğans in Europa sind. Die deutschen Sicherheitsbehörden haben die rechtsextremen Aktivitäten von türkischer Seite kaum auf dem Schirm", kritisiert er gegenüber dem nd.

Die Deutsche Journalisten-Union (dju) forderte, Täter und auch Hintermänner müssten ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden. Nur so könne verhindert werden, "dass sich die Bedrohung von Medienschaffenden, vor der sie aus ihren Heimatländern geflohen sind, hier fortsetzt".

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" zeigte sich schockiert über den Angriff auf den regierungskritischen türkischen Journalisten. Der Angriff auf Acarer sei kein Einzelfall. Türkische Journalisten, die in Deutschland im Exil seien, erhielten regelmäßig Drohungen, sagte der Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen" Christian Mihr im Inforadio. Der türkische Geheimdienst sei hierzulande sehr aktiv und habe viele informelle Mitarbeiter.

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