Europa

Alina Lipp über bedrohte Journalisten: Wir sind schwer einzuschüchtern – aber brauchen Schutz

Kriegsberichterstatter leben nicht nur in Krisengebieten gefährlich. Der Franzose Adrien Bocquet berichtete über die Ereignisse in Butscha. Im Anschluss fürchtete er um sein Leben – aufgrund eindeutiger Drohungen. Die Journalistin Alina Lipp berichtet in einem Interview über die Umstände der versuchten Tötung Bocquets in Istanbul.
Alina Lipp über bedrohte Journalisten: Wir sind schwer einzuschüchtern – aber brauchen Schutz© Screenshot: Anti-Spiegel, 30.09.2022

Der französische Journalist Adrien Bocquet berichtete über die Gräueltaten in der Stadt Butscha, nachdem er persönlich über mehrere Wochen für Recherchen vor Ort gewesen war. Die schockierenden Berichte, auch über Misshandlungen von russischen Militärangehörigen in ukrainischer Gefangenschaft, machten ihn europaweit bekannt und wurden unter anderem vom französischen Radiosender Sud Radio im Rahmen eines Interviews gesendet.

Bereits in Frankreich kam er aufgrund seines Aufenthalts in dem Kriegsgebiet für drei Tage in Haft und erlebte ersten massiven Druck – wegen seiner unerwünschten Arbeit. Es kam zu Hausdurchsuchungen und Konten-Sperrungen.

Nach seiner Rückkehr in den Südosten der Ukraine lief sein russisches Visum ab, wobei er Probleme hatte, dieses im Raum Donezk zu verlängern. Aufgrund von Formalitäten begab sich Bocquet daraufhin in die Türkei, um dort sein benötigtes Visum abzuholen. In Istanbul kam es nach einer erneuten Verzögerung bei der Visa-Übergabe nun Ende September zu einem Mordversuch – durch eine massive Messerattacke. Bocquet überlebte mit massiven Schnittwunden.

Die Journalistin Alina Lipp schildert in einem Interview mit RIA FAN die ihr bekannten Umstände. Zudem erläutert sie die Probleme für ausländische Berichterstatter in Russland. Demnach habe Bocquet regelmäßig Lipp geschrieben, "dass er sehr um sein Leben fürchtet." Die akuten Visa-Probleme hätten die Gesamtsituation zusätzlich verschärft. Lipp erklärt in diesem Zusammenhang:

"Leider fehlt uns ausländischen Journalisten in Russland derzeit die Unterstützung der Behörden in dieser Frage. Sie wird dringend benötigt."

Ihr seien weitere Fälle ausländischer Kollegen bekannt, die ebenfalls Probleme mit ihren Visa-Verlängerungen in Russland hätten. Lipp betont, dass diese Umstände zu großen Verunsicherungen führen würden:

"Wir wissen nicht, was wir jetzt tun sollen, denn wir haben in der EU unser Leben verloren, weil wir die Wahrheit über den Donbass berichten. Auch unsere Verwandten werden angegriffen."

So drohe ihrer Mutter – die inzwischen aufgrund einer manipulativen Stimmungsmache gegen ihre Tochter Deutschland in Richtung Russland verlassen hat – eine ungewisse Zukunft. Lipp erklärt in dem Interview:

"Auch ich bin in einer problematischen Situation mit meiner Mutter, die wegen meiner Aktivitäten alles zurücklassen und Deutschland verlassen musste. Sie muss Russland in einem Monat verlassen, weil ihr Visum bald abläuft. Aber es ist nicht klar, wohin sie gehen soll."

Aufgrund der journalistischen Tätigkeit, auch über ihren Telegram-Kanal "Neues aus Russland", sei nicht nur Alina Lipp bedroht und gefährdet, sondern auch die Angehörigen. Der RIA-Artikel erläutert:

"Lipp ist auch um ihre eigene Sicherheit besorgt. Nach ihren Angaben hat sie bereits mehrmals die Telefonnummern ihrer Verwandten geändert, um zu verhindern, dass die Angreifer sie aufspüren."

Lipp schildert zudem die Alltagsrealität ihrer französischen Journalistenkollegin Christelle Néant, die seit sechs Jahren im Donbass arbeitet "und jedes Mal, bevor sie in ein Auto einsteigt, die Unterseite des Autos auf Sprengstoff untersucht." Lipp vermutet SBU-Beamte des ukrainischen Geheimdienstes hinter den massiven Einschüchterungsversuchen gegen ausländische Journalisten im Kriegsgebiet. Zu dem Vorfall ihres Kollegen Bocquet sagt sie in dem Interview:

"Am Montag, dem 26. September, wurde er angegriffen. Er sagte, sie hätten versucht, ihm die Kehle durchzuschneiden. Es waren zwei Männer, und Adrien ist sich sicher, dass es SBU-Beamte waren."

Lipp betont in dem Interview, dass sie und ihre Kollegen, wie der deutsche Thomas Röper (anti-Spiegel) ihre Arbeit auf jeden Fall fortsetzen würden" und die Wahrheit über den militärischen Konflikt in der Südostukraine den einfachen Europäern nahe bringen werden." Entsprechend erklärt sie in dem Interview abschließend:

"Wie soll ich meinen Job aufgeben? Niemand sonst liefert so viele Informationen von vor Ort auf Deutsch wie ich. Thomas Röper, zum Beispiel, schreibt großartige Artikel, aber er ist seltener hier. Ich habe auf meinem Kanal massenweise Fotos und Videos von den Ereignissen im Donbass, die ich jeden Tag miterlebe. Ich kann es mir nicht leisten, die Arbeit einzustellen und den Kanal (Neues aus Russland) zu schließen."

Sie könne die Menschen im Donbass, wie auch ihre Kollegen, nicht im Stich lassen. Lipp äußert sich kämpferisch:

"Wir müssen für sie und für die Wahrheit kämpfen. Wir sind schwer einzuschüchtern, aber wir brauchen trotzdem Schutz."

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