Meinung

Bericht aus dem Donbass: Wie die Ukraine den Krieg begann

Ein Jahr nach Beginn der Militärischen Spezialoperation Russlands in der Ukraine und allen Debatten über Kriegsursachen, Frontverläufen und Friedenschancen darf der Alltag in den Donbassrepubliken nicht in Vergessenheit geraten. Und nicht das Leiden der Zivilbevölkerung, das bereits 2014 mit dem Beschuss durch Kiewer Truppen begann.
Bericht aus dem Donbass: Wie die Ukraine den Krieg begannQuelle: Sputnik © Евгений Биятов/РИА Новости

Von Jewdokija Scheremetjewa

In den sozialen Medien sind in letzter Zeit etliche Beiträge vom vergangenen Jahr aufgetaucht, die aufgrund der nachfolgenden Ereignisse ganz in Vergessenheit geraten sind. Vor einem Jahr, Mitte Februar 2022, begann die Ukraine eine Offensive gegen die Volksrepubliken Lugansk und Donezk. In fast allen Regionen entlang der Grenze kam es zu heftigem Beschuss, genau wie im Jahr 2014.

Mein Beitrag vom 17. Februar 2022 trug den Titel "Beschuss durch schwere Artillerie":

"Meldungen aus verschiedenen Regionen – sowohl aus der Volksrepublik Lugansk als auch der Volksrepublik Donezk. Unsere Großmütter in Kalinowo, Michailowka, Solotoje am Rande von Pjerwomaisk, die an der Frontlinie wohnen, sind erschüttert.

Berichtet wird auch diesmal von heftigen Donnerschlägen – genau wie im Jahr 2014. Ich lese den Feed – Gleiches spielt sich auch an vielen anderen Orten ab. Mit großkalibrigem Artillerie-Feuer wird 'abgeprügelt', wie man sagt …

In einem Haus in Sokologorowka bei Pjerwomaisk (Lugansk), das in der Beschusslinie liegt, lebt Walentina Matwejewna, eine einsame Großmutter, der wir oft helfen. Sie leidet an rheumatischer Arthritis und kann nur mit einem Rollator gehen. Ihr Haus wurde bereits getroffen. In der Nähe gibt es keine Luftschutzbunker oder Keller. Und selbst wenn es welche gäbe, käme sie nicht dorthin, genauso wie Dutzende andere alte Menschen, die kaum mehr gehen können oder nicht die Kraft haben, in den Keller zu gelangen. Sie warten einfach ab.

Man kann sich nicht vorstellen, was sie und andere, die an dieser Frontlinie wohnen, gerade durchmachen müssen. Und jeder weiß, woher und von wem geschossen wird. Nur ist das kaum jemandem begreiflich zu machen."

"Unsere Großmütter" – das sind unsere Schützlinge, denen wir seit Jahren helfen, in den Grenzgebieten, den sogenannten Grauzonen der Republik Lugansk, zu überleben; in denen seit Jahren Einschläge der Artillerie zu verzeichnen sind. Es klingt sonderbar, angesichts des bereits acht Jahre andauernden Beschusses so zu sprechen. Was ist schon dabei: "ein paar Einschläge und einige Dutzend Tote" – so wird jedenfalls geschrieben –, scheint es. In Wirklichkeit haben nicht einmal die patriotisch gesinnten Menschen eine Vorstellung davon, was Menschen wie Valentina Matwejewna durchleben mussten, die 2014 nicht ausreisen konnten und zu Hause geblieben sind.

Vor genau einem Jahr hat es "begonnen". Noch am selben Tag fingen wir damit an, verzweifelt die Großmütter, die kaum aus eigenen Kräften gehen konnten, aus ihren Häusern an der Frontlinie zu evakuieren. Am darauffolgenden Tag spitzte sich die Lage zu und die Behörden der Volksrepublik Lugansk kündigten bereits eine zentrale Evakuierung aus den beiden Teilrepubliken an. Allerdings mussten die Menschen selbst zu den Sammelpunkten gelangen, und diese Großmütter, die sich kaum noch innerhalb ihres Hauses bewegen konnten, waren physisch nicht in der Lage, den Bus zu erreichen. Viele wollten auch gar nicht weg, denn sie hatten nichts und niemanden, zu dem sie gehen können. Alter, Krankheiten, Widerwillen gegen den Umzug in ein Pflegeheim. Würden sie selbst zu Flüchtlingen, so wären sie nicht imstande, sich neu einzurichten. Schon für junge Menschen ist das nicht einfach. Viele hatten auch Angst, den Umzug nicht zu überleben.

An die Einzelheiten dieser Tage erinnere ich mich kaum – wir haben fast nicht geschlafen; ununterbrochen die Koordination der Evakuierungen, die Suche nach Autos, nach Menschen.

Bis zum Beginn der militärischen Spezialoperation waren es noch acht Tage. Doch allem Anschein nach war es die "kleine, friedliche" Ukraine, die auf diese Weise versuchte, einen Waffenstillstand auszuhandeln. Und Leute wie ich, bösartige, blutrünstige Russen, zogen zum Spaß die kaum mobilen, alten Menschen aus ihren Betten und brachten sie weit weg von der Hölle, die dort zu brodeln begann.

An das alles erinnert sich aber kaum einer mehr.

Vor knapp einem Monat, am 25. Januar, verstarb Valentina Matwejewna. Wie viele andere ältere Menschen, die es nicht mehr ausgehalten haben. Ja, bei einigen sind die Bomben im Garten oder direkt im Haus eingeschlagen und haben sie dort getötet. Die meisten älteren Menschen starben jedoch allmählich – ausgebrannt durch Stress und unfähig, das Geschehen zu ertragen. Keine Statistik wird sie als Kriegsopfer zählen.

Wenn man jedoch einmal eine Zählung vornimmt, so sollte diese nicht mit dem Beginn der militärischen Spezialoperation, sondern mit dem Beginn des offensiven Krieges vonseiten der Ukraine beginnen.

Zuerst erschienen bei Wsgljad.

Übersetzt aus dem Russischen.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.